Berufliche Weiterbildung

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Qualifizierungsoffensive für den Arbeitsmarkt:

Weiterbildung für (fast) alle – Gesetz will neue Perspektiven bieten

Mit einem Qualifizierungschancengesetz will die Bundesregierung zur Stärkung der Weiterbildung beitragen, sowohl Beschäftigte als auch Erwerbslose sollen damit stärker auf die Veränderungen am Arbeits-markt vorbereitet werden. Ein Rechtsanspruch auf Weiterbildungsberatung soll festgeschrieben und die Förderungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert werden. Das ist aus Sicht von ver.di ein wichtiger Schritt, der aber keineswegs ausreicht, um in Deutschland eine verbesserte Weiterbildungskultur zu etablieren.

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag u. a. „Gute Arbeit, breite Entlastungen und soziale Teilhabe“ vereinbart. Im Mai 2018 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Qualifizierungsoffensive angekündigt. Mitte September hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf „Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung“ (Qualifizierungschancengesetz) auf den Weg gebracht. Dieser befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung im Bundestag. Das Gesetz soll Voraussetzungen schaffen, damit Beschäftigte neue Anforderungen durch Digitalisierung und Strukturwandel besser bewältigen können, denn Weiterbildung und Qualifizierung wer-den eine zentrale Bedeutung in der Arbeitsgesellschaft haben. So soll Arbeitslosigkeit, bevor sie entsteht, vermieden werden. Gleichzeitig soll der Schutz der Arbeitsversicherung verbessert werden.

Recht auf Weiterbildungsberatung

Der im Gesetz vorgesehene Rechtsanspruch auf Weiterbildungs- bzw. Qualifizierungsberatung durch die Arbeitsagenturen ist zu begrüßen, ebenso die Erweiterung der Fördervoraussetzungen. Jedoch sollte das Recht auf Beratung mit einem Rechtsanspruch auf Förderung verknüpft werden, um die gewünschte Wirkung zu entfalten. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass es strukturelle Probleme bei der Inanspruchnahme von Rechten gibt, zum Beispiel fehlendes Wissen über die Existenz bestimmter Rechte.

Ob der Rechtsanspruch auf Weiterbildungsberatung ausreicht, um eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit des Einzelnen zu gewährleisten, bleibt offen. ver.di fordern seit Langem ein bundesweites Weiterbildungsgesetz und eine geförderte Bildungsteilzeit, um den Wandel der Arbeitswelt erfolgreich zu gestalten. Vor allem für Erwerbslose und Beschäftigte ohne (verwertbaren) Berufsabschluss muss das Recht auf Förderung von Maßnahmen zum Erwerb eines Abschlusses gesetzlich verankert werden.

Erweiterter Zugang zur Weiterbildungsförderung

Das von den Gewerkschaften initiierte Programm WeGebAU (Förderung der Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen) wird erweitert und auf alle Betriebe ausgedehnt. Künftig sollen Beschäftigte, unabhängig von Lebensalter, Betriebsgröße und Berufsabschluss, auch Beschäftigte im (aufstockenden)Leistungsbezug nach dem SGB II, durch volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten und Zuschüsse zum Arbeitsentgelt gefördert werden können. Die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt werden nach der Unternehmensgröße gestaffelt. Das bisherige WeGebAU-Programm hat aus gewerkschaftlicher Sicht den Nachteil, dass die betriebliche Umsetzung fast ausschließlich von den Arbeitgebern abhängt und oft auch überwiegend in ihrem Interesse ist.

Senkung des Beitragssatzes

Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird dauerhaft von derzeit 3,0 auf 2,6 Prozent und zusätzlich durch eine Rechtsverordnung befristet für die Kalenderjahre 2019 bis 2022 um weitere 0,1 auf 2,5 Prozent abgesenkt werden. ver.di und der DGB halten diese weitgehende und deutlich über die Vereinbarung (Absenkung um 0,3 %) im Koalitionsvertrag hinausgehende Absenkung für überzogen. Damit wird die Chance vertan, bestehende Sicherungslücken beim Arbeitslosengeld zu schließen und aktive Arbeitsmarktförderung, zum Beispiel durch erhöhtes Arbeitslosengeld während einer Weiterbildungsmaßnahme, zu verbessern.

Erweiterter Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung – Verlängerung der Rahmenfrist

Mit dem Gesetzentwurf soll der Zugang zum Arbeitslosengeld durch Ausdehnung der Rahmenfrist von bis-her 2 Jahren auf 30 Monate erleichtert werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, von dem aber vor allem immer wieder nur befristet Beschäftigte, mit dem hohen Risiko der Arbeitslosigkeit nach kurzer Beschäftigung, profitieren können. Der Schritt reicht nicht aus, um zu verhindern, dass immer noch zu viele sozial-versicherungspflichtig Beschäftigte bei Eintritt von Arbeitslosigkeit direkt ins Hartz-IV-System (SGB II) abrutschen. ver.di und der DGB fordern, die Rahmenfrist auf drei Jahre auszuweiten und die geforderte Beschäftigungszeit von 12 auf 10 Monate abzusenken. Nicht nachvollziehbar ist ebenfalls, weshalb die Verlängerung der Rahmenfrist erst zum Januar 2020 in Kraft treten soll.

Fazit

Das Qualifizierungschancengesetz setzt wichtige arbeitsmarktpolitische Impulse, reicht aber letztendlich nicht aus, um die Veränderungen in der Arbeitswelt für die Beschäftigten positiv zu begleiten. Weiterbildung für Alle ist nicht nur zu einer entscheidenden Frage der Innovationsfähigkeit des Landes, sondern immer mehr auch zu einer Frage von sozialer Gerechtigkeit geworden. Die angekündigte Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung konterkariert geradezu die Vorhaben des BMAS zur Qualifizierungsoffensive und den dort begonnenen Zukunftsdialog „Neue Arbeit, Neue Sicherheit“. Das Qualifizierungschancengesetz ist ein Teilaspekt der geplanten Nationalen Weiterbildungsstrategie, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Mitte November will das BMAS und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) weitere konkrete Maßnahmen zur Weiterbildungsstrategie vorstellen.

Die parlamentarischen Beratungen zum Qualifizierungsgesetz werden wir ebenso kritisch begleiten wie den begonnenen Zukunftsdialog. Unsere Positionen und Forderungen werden wir weiterhin deutlich machen.


Quelle: sopoaktuell 276 vom 17. Oktober 2018


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Ältere Beschäftigte, Öffentliche Beschäftigungspolitik, Berufliche Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 19.10.2018