Allgemeine und politische Weiterbildung

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DaZ-Lehrende wollen raus aus der Armutsfalle

DaZ-Lehrkräfte haben eine Schlüsselrolle bei der Integration von Geflüchteten. Sie bringen ihnen nicht nur Deutsch als Zweitsprache (DaZ) bei, sondern geben auch Alphabetisierungs- und Orientierungskurse. Darüber hinaus nehmen sie auch Sprach- und Einbürgerungsprüfungen ab. Für ihre Arbeit müssen sie nicht nur einen akademischen Abschluss vorweisen können, sondern benötigen auch noch eine Zusatzausbildung. Kurzum: Sie sind hochqualifiziert. Ob sie im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Integrationskurse oder vom Sozialamt finanzierte Seminare leiten – DaZ-Lehrer_innen ist gemeinsam, dass sie meist hauptberuflich unterrichten und überwiegend für einen Auftraggeber als selbstständige Honorarlehrkräfte tätig sind. Nach Tarifvertragsgesetz werden sie deshalb „Arbeitnehmerähnliche“ (§ 12a TVG) genannt.

Es liegen Welten zwischen Honorarlehrkräftenund Lehrer_innen im Schuldienst. Während Letztere für 12 Monate im Jahr ein Gehalt beziehen, ihnen Weiterbildungsveranstaltungen bezahlt werden und sie auch in den freien Ferienzeiten ihr Geld bekommen, ohne finanzielle Sorgen mal krank sein können und auf eine auskömmliche Rente hoffen dürfen, ist all das den DaZ-Lehrer_innen verwehrt. Lediglich für die tatsächlich geleisteten Unterrichtszeiten bekommen sie ein lächerlich niedriges Honorar. Vor- und Nachbereitungszeiten sind ihre Privatsache. Fehlzeiten aller Art – sei es Mutterschutz oder Auftragsausfall – gehen auf ihre Kosten. Weil die Auftraggeber in den meisten Fällen nicht einmal ihren Status als „Arbeitnehmerähnliche“ anerkennen, bekommen sie auch keinen bezahlten Urlaub. Darüber hinaus müssen sie die Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe selbst tragen. Dabei sind DaZ-Lehrkräfte derzeit wohl die meist gesuchten Fachkräfte.

An der VHS Leipzig bekommen viele DaZ-Lehrer_innen ein Honorar von 20 Euro pro Stunde. Das bedeutet für eine selbstständige Vollzeitkraft: Bei Steuerklasse 1 und einem Arbeitsvolumen, das dem an einer Regelschule entspricht, bleiben ihr monatlich knapp 860 Euro zum Leben. Bei einem Honorar von 23 Euro in Integrationskursen beträgt das Netto knapp 1.000 Euro. Kaum anzunehmen, dass irgendjemand ernsthaft der Meinung ist, dies sei angemessen für Akademiker_innen.

Appelle gab es schon zur Genüge. Zahlreiche Petitionen und Positionspapiere haben die bundesweit vernetzten Initiativen bereits geschrieben. Der Erfolg ist überschaubar. Zwar hat das Bundesinnenministerium jetzt als Reaktion auf den Fachkräftemangel eine Erhöhung der Honorare für Lehrende in Integrationskursen auf 35 Euro pro Unterrichtseinheit angekündigt – sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Das Problem aber löst das nicht. Selbst bei diesen Sätzen würde eine Lehrkraft ohne soziale Absicherung kaum mehr als 1.500 Euro netto monatlich bekommen.

Es gibt nur einen Weg: Wir brauchen eine Tarifinitiative im Bereich der DaZ-Lehrer_innen. Es ist höchste Zeit, auf die eigene Kraft und die gewerkschaftliche Durchsetzungsfähigkeit zu setzen: DaZ-Lehrer_innen organisieren sich in ver.di, und gemeinsam verhandeln wir mit den Auftraggebern für deutlich höhere Honorare und bessere Arbeitsbedingungen.

Was kaum jemand weiß: Arbeitnehmer ähnliche haben sogar das Recht, für ihre Forderungen zu streiken. Und die sind bei den DaZ-Lehrkräften mehr als berechtigt: Es muss ihnen möglich sein, ohne Abstriche am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, auch mal krank zu sein, sich weiterzubilden, längere Urlaube zu machen und sowohl gegen Ausfallzeiten als auch Altersarmut abgesichert zu sein. Das Normale also. Wir glauben nicht, dass das zu viel verlangt ist!


Von Anne Voss und Karl Kirsch

Quelle: biwifo-Report 2/2016

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Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Volkshochschule, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 21.07.2016