Der Kommentar

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Recht auf Bildung – oder: Wer einen Schokoladenkuchen haben will ...

Bildung gilt in Deutschland gemeinhin als ein öffentliches Gut, für das der Staat nach dem Grundgesetz die Gesamtverantwortung trägt. Das Schul- und Bildungswesen ist somit kein staatsfreier Raum, den man dem freien Spiel des Marktes überlassen könnte. Das Bildungswesen wird deshalb auch ganz überwiegend von den Steuerzahlern finanziert. Der Gemeinwohlbezug von Bildung verpflichtet den Staat zur Bereitstellung eines leistungsfähigen Bildungssystems.

Das Bildungssystem hat drei Aufgaben: für Persönlichkeitsbildung und kulturelle Integration zu sorgen, die für die Arbeits- und Berufswelt erforderlichen Qualifikationen zu vermitteln und soziale Positionen leistungs- und chancengerecht zu verteilen. Bildungspolitik ist daher ein zentrales Politikfeld, für das im Rahmen des Grundgesetzes immer auch um die besten Lösungen gerungen werden muss.

Wichtigster Akteur im deutschen Bildungswesen ist der Staat selbst: Zum einen ist er wichtigster Anbieter und Träger von Bildungseinrichtungen, zum anderen zuständig für die politische Gesamtsteuerung und die strukturelle Rahmensetzung im gesamten Bildungswesen.

Wie sieht es mit den Bildungsangeboten in Hamburg aus?

Es gibt ein breites Angebot an Bildung und Weiterbildung, vom Nachholen eines Schul-/Berufsabschlusses, Fort-/Ausbildungen, Umschulungen und verschiedenste kleine Fortbildungen bis hin zu diversen Maßnahmen für Arbeitssuchende, in einer großen Landschaft von privatwirtschaftlich geführten Anbietern. Geworben wird mit Bildungsgutscheinen und Bildungsprämien, Förderprogramme für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Lebenslanges Lernen und Weiterqualifizierung sind wichtige Schlagworte, nachhaltiges Lernen ein stehender Begriff.

Das Anforderungsprofil an Lehrpersonen / Dozenten / Dozentinnen ist sehr hoch. Eine Fachausbildung bzw. Studium, Berufserfahrung und aktuelle Fortbildungen werden vorausgesetzt. Die Vermittlung der notwendigen Fachkenntnisse in heterogenen Gruppen, die an die jeweilige Vorbildung und Leistungsfähigkeit angepasst sind und die entsprechenden Lehr- und Lernformen werden erwartet. Ebenso sollen die Fachthemen abwechslungsreich und handlungsorientiert gestaltet werden, natürlich in einem angenehmen und selbstbestimmten Lernklima. Das Anleiten und Motivieren, die Vermittlung von Kompetenzen der Wissensaneignung und Anwendungssicherung, all das gehört zu einem professionellen Unterricht. Ebenso sollen die Unterrichtsprojekte vor- und nachbereitet und der aktuelle Forschungs- und Entwicklungsstandard miteinbezogen werden. Eine professionelle Lehrerpersönlichkeit wird erwartet. Trainer- und Coachestools werden in teuren und qualifizierten Ausbildungen und Studiengängen erworben.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Damit (nachhaltige) Bildungsarbeit gelingen kann, sollten Ausgangszustand und Ziel der Bildungsprojekte bekannt sein. Sie sollten, angelehnt an Methoden des Projektmanagements, geplant, vorbereitet und Resultate während des Bildungsprozesses überprüft und evaluiert werden. Gelingen kann dies nur, wenn Akteure in die Planung- und Umsetzungsprozesse aktiv eingebunden und auch so honoriert werden, dass sie nachhaltig ihre Existenz und Altersvorsorge absichern können.

Im öffentlichen Schuldienst mag dies noch der Fall sein, bei öffentlichen Bildungsträgern und privatwirtschaftlich geführten Anbietern bestimmt ein anderes Verhalten das Bild. Projekte werden mit der heißen Nadel gestrickt. Es gibt keine langfristigen pädagogischen, fachlichen und personellen Planungen. Programme werden unter lottoähnlichen Bedingungen vergeben. Dabei geht es weniger um Fachwissen und Qualität, sondern ums Geld. Bildungsträger und andere Einrichtungen stechen sich wechselseitig mit Dumpingpreisen aus, um Aufträge zu erhalten – immer auf Kosten der Dozenten und Teilnehmer. Und das alles im Rahmen von Qualitätskontrolle und Zertifizierung. Projekte werden aus dem Boden gestampft, die teilweise ohne Sinn und Verstand sind, keine nachhaltigen Ergebnisse erzielen (können), weder Teilnehmer erreichen, noch professionell Bildungsarbeit möglich machen.

Hochausgebildete Dozenten/innen ringen um Honorare ab 9,50 Euro, im Durchschnitt um 20 Euro, Vor- und Nachbereitung inbegriffen. Das ist eine absolut unbefriedigende Situation, denn Lebensplanung und eine nachhaltige Absicherung der eigenen Existenz, eine Vorsorge für eigene Altersabsicherungen ist den wenigsten Honorardozenten möglich. Lässt sich der Bildungsauftrag unter solch prekären Verhältnissen der Lehrenden überhaupt umsetzen?

Der Staat ist in der Handlungspflicht

Und die Politik? Weit weg von nachhaltiger Bildung, und von dem genannten gesetzlich verankertem Anspruch. Schaut sie dabei zu? Wo bleibt die aktive Verantwortung? Oder ist das etwa so gewollt?

Mit keiner anderen Berufsgruppe, die wichtige und elementare Aufgaben zu erfüllen hat, wird derartig umgegangen. Kein Bauingenieur, ITler, Arzt oder Manager würde unter solchen prekären Bedingungen arbeiten.

Bildung erfüllt einen wichtigen Aspekt in unserer Gesellschaft, ermöglicht Partizipation, Selbstbestimmung und nachhaltiges Handeln in einer globalen Welt. Bildung gibt es nicht zum Dumpingpreis oder Mindestlohn. Hochprofessionelle Arbeit muss in allen Berufsgruppen wertgeschätzt werden. Und der Staat mit seinen politischen Organen ist in der Handlungspflicht. Jetzt!

„Wer einen Schokoladenkuchen als Ergebnis haben will,
der muss Schokolade hineintun.“



ein Beitrag aus der ver.di-AG Freie und Honorarkräfte Hamburg


Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 01.06.2015