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Dortmunder Debatte über die Bedingungen in Integrationskursen

Dortmunder Aufruf


der Integrationskursträger und Lehrkräfte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und Finanzierung von Integrationskursen


„Wir machen Integration möglich, aber nicht zum Nulltarif!“

Integrationskurse sind wesentlicher Bestandteil einer aktiven und erfolgreichen Integrationspolitik. Hier erwerben Migrantinnen und Migranten die wichtigen Kenntnisse der deutschen Sprache und setzen sich mit dem gesellschaftlichen Leben in Deutschland auseinander.

Die Integrationskurse sind in den vergangenen Jahren zu einer „Erfolgsgeschichte“ geworden, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Schreiben vom 15.03.2010 an die Integrationskursträger erklärt (hat). Dass dies so ist, ist ganz wesentlich den Lehrkräften und den Kursträgern zu verdanken, die sich vielfach über das wirtschaftlich vertretbare Maß hinaus engagieren.

Die finanzielle Ausstattung der von höchster Stelle für so wichtig genommenen Integrationskurse ist jedoch extrem schwach. Der vom BAMF festgelegte Gebührensatz pro TeilnehmerIn
  • lässt für eine auch nur annähernd angemessene Honorierung der DozentInnen keinen Raum,

  • bedeutet für die Träger keine gesicherte Finanzierung der Infrastruktur und des sehr hohen Verwaltungsaufwandes und

  • verhindert, dass den Teilnehmenden kleinere Gruppen und häufig notwendige längere Lernzeiten angeboten werden können.

Das BAMF stellt zu Recht hohe Anforderungen an die Ausbildung der Lehrkräfte. Die DozentInnen haben einen akademischen Abschluss und außerdem häufig ein Studium „Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache“ und die vom BAMF vorgeschriebene Zusatzqualifizierung.

Die rund 18.000 Integrationslehrkräfte handeln in staatlichem Auftrag. Sie werden von den Integrationskursträgern in aller Regel als freiberufliche DozentInnen beschäftigt und honoriert; die Träger ihrerseits erhalten das Geld vom BAMF. Das BAMF zahlt pro Unterrichtsstunde und Teilnehmer einen Festbetrag von 2,35 €.

In einer vom BAMF in Auftrag gegebenen Studie zum Finanzierungssystem der Integrationskurse hat das Institut Ramboll Ende 2009 festgestellt, dass DozentInnen in Integrationskursen im Durchschnitt ca.18 € pro UE erhalten und damit weit abgeschlagen am unteren Ende der Skala pädagogischer Berufe rangieren. Denn vom Honorar bleiben nur ca. 40 % netto pro Stunde übrig, wenn man bedenkt, dass jede Unterrichtsstunde etwa eine Stunde Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung erfordert und die Honorarkräfte den Arbeitnehmer- UND Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung selbst bezahlen müssen. Darüber hinaus bekommen sie im Urlaub und für Krankheitszeiten keine Vergütung. Im Ergebnis ist die Einkommenslage vieler Lehrkräfte auf dem Niveau von ALG-II-Beziehern.

Anfang 2010 erklärte das BAMF, dass es ein Honorar von unter 15 Euro pro Stunde für problematisch hält. Dagegen lag vor 2005 das verpflichtende Mindesthonorar in bundesgeförderten DaZ-Kursen noch bei über 23 €.

Viele DozentInnen sind auf Hartz-IV-Zuschüsse angewiesen, weil ihr monatliches Honorareinkommen unter dem Existenzminimum liegt. „Die Bundesregierung kennt diesen Missstand seit langem, tut aber nichts dagegen“, sagt die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Ulla Burchardt (SPD) in einer Pressemitteilung vom 28.03.2011. Sinnvoll „... wäre es, die Weiterbildner vernünftig zu bezahlen und Lohndumping zu unterbinden“, so Burchardt weiter.

Die Integrationspolitik der Bundesregierung im so grundlegenden Bereich der Integrationskurse wird umgesetzt zu Lasten von
  • LehrerInnen am Rande des Existenzminimums,

  • Kursträgern, denen das Risiko nicht kostendeckender Kurse aufgebürdet wird,

  • Teilnehmenden, deren Förderbedarf nicht angemessen berücksichtigt wird.

Diese Situation ist sozialpolitisch unerträglich und führt zum Abwandern vieler qualifizierter Lehrkräfte in besser bezahlte Arbeitsbereiche oder zu sinkender Motivation und zu weniger erfolgreichen Integrationsverläufen.

Deshalb fordern wir:
  • Die Vergütung der Lehrkräfte in den Integrationskursen muss existenzsichernd und leistungsgerecht gestaltet werden. Entsprechend muss die Finanzierung der Träger durch das BAMF auf mindestens 4,00 € pro Teilnehmerstunde erhöht und ein garantiertes Honorar von mindestens 30 Euro pro Unterrichtseinheit festgeschrieben werden. Langfristig ist eine Festanstellung der Lehrkräfte mit einem dem Verdienst von Lehrern an allgemeinbildenden Schulen vergleichbaren Einkommen zu ermöglichen.

  • Die Ermöglichung der Teilnahme von DozentInnenvertreterInnen in Gremien und Netzwerken (z.B. der Bewertungskommission)

  • Die sorgfältige Beratungs- und Verwaltungsarbeit durch die Träger sowie die Einrichtung kleinerer Kurse bzw. die Weiterführung von Kursen nach Teilnehmer-Austritten muss finanziell hinreichend abgesichert werden.

  • Eine verbesserte Förderung der Teilnehmenden mit ihren sehr vielfältigen Lernerprofilen durch ein höheres Stundenkontingent und unbürokratische Verlängerungsanträge.

Die Dortmunder Integrationskursträger, die Lehrkräfte in den Integrationskursen und deren Teilnehmende fordern daher die Bundesregierung und das BAMF sowie die Dortmunder Politiker aller Parteien auf, sich in ihren Gremien und Ausschüssen dafür einzusetzen, dass die Rahmenbedingungen der Kurse verbessert und eine angemessene Vergütung der Lehrkräfte zukünftig möglich wird.

Die Integration von Migrantinnen und Migranten ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Die Arbeit der Akteure in diesem Feld muss anerkennend und wertschätzend honoriert werden!

Dortmund, 10. Juli 2011




Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 10.10.2011