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Keine Reform unter Sparzwang! Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt

Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente verkommt zur Sparorgie

Berufliche Weiterbildung – abschlussbezogene Qualifizierungen fördern!

Allein in diesem Jahr stehen der BA 1,3 Milliarden Euro weniger für die berufliche Weiterbildung zur Verfügung. 2010 ging im Vergleich zu 2009 die Zahl der geförderten Weiterbildungen um ein Fünftel zurück (-21,4 Prozent). Insgesamt dominieren eher kürzer laufende Maßnahmen. Nur weniger als ein Drittel der durchschnittlich geförderten Weiterbildungsmaßnahmen waren auf einen Berufsabschluss ausgerichtet. Insgesamt wurden 2010 rund 420.000 Menschen im Rahmen der Berufsorientierung und der Berufsausbildung gefördert, 25 Prozent weniger als 2009. Insgesamt wurden die geförderten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen spürbar zurückgefahren. So kamen nach Angaben der BA im Dezember 2010 auf jeden Geförderten 2,1 Arbeitslose - gegenüber 1,9 Ende 2009. Demgegenüber könnten nach Schätzungen des DGB jährlich etwa 30.000 bis 50.000 Arbeitsuchende zu beruflichen Abschlüssen geführt werden, wenn die notwendigen Mittel dafür bereitstünden.

Nach dem Gesetzentwurf sind keine besseren gesetzlichen Regelungen für die „Berufliche Weiterbildung“ vorgesehen. Da es sich fast ausschließlich nur um Ermessensleistungen handelt, die damit dem Spardiktat ausgesetzt sind, werden Qualifizierungsmaßnahmen trotz nachgewiesener positiver Effekte weiter stark zurückgefahren werden.

Notwendig auch für die Fachkräftesicherung ist daher, die Regelungen über die Förderung einer beruflichen Ausbildung oder Umschulung auf die zukünftigen Qualifizierungsbedarfe hin zu überprüfen. Die Finanzierung der Förderung von Berufsabschlüssen ist sicherzustellen. Die Förderung der beruflichen Ausbildung Benachteiligter ist abzusichern und auszubauen, gerade weil Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt immer noch stark benachteiligt sind. Die Förderung der Fort- und Weiterbildung (Fbw) ist verbindlich auszugestalten. Die vollständige Finanzierung von abschlussbezogenen Umschulungen in nachgefragten Berufen ist unter Abkehr der Zwei-Drittel-Regelung zu sichern. Es ist zu prüfen, inwieweit eine Finanzierungsbeteiligung durch die für Berufsausbildung zuständigen Länder geregelt werden kann.

Der prognostizierte branchenbezogene Fachkräftebedarf und weiter steigende Anforderungen an die berufliche Qualifikation von Arbeitnehmer/innen dürften Anlass genug für den Ausbau der Fördermöglichkeiten und die Wiedereinführung von Rechtsansprüchen in der Fort- und Weiterbildung sein. Stattdessen bleibt alles wie es ist. Statt mehr Qualifizierung und abschlussbezogener Maßnahmen gibt es noch weniger Geld für Fördermaßnahmen.

Zu §§ 80 bis 87, § 180 SGB III:
Die Regelungen über die Förderung einer beruflichen Ausbildung oder Umschulung sind auf die zukünftigen Qualifizierungsbedarfe auszurichten. Die Finanzierung der Förderung von Umschulungen mit Berufsabschluss in zukunftsträchtigen Berufen ist sicherzustellen. Die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres ist weiterhin nicht sicher (§ 180 Abs. 4 S. 2 SGB III). Die vollständige Finanzierung von abschlussbezogenen Qualifizierungen ist unter Abkehr der Zwei-Drittel-Regelung zu sichern. Das ist zum Beispiel in Berufen des Gesundheitswesens problematisch. Regelmäßig gehen berufliche Ausbildungen über drei Jahre. Wir schlagen daher vor, Ausbildungen in nachgefragten Berufen im Sinne der Fachkräftesicherung und der Qualifizierung von Migrant/innen grundsätzlich drei Jahre zu fördern. Die Investitionen in Umschulungen bei guten Aussichten auf eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit sparen künftige Transferleistungen und sind damit keine versicherungsfremden Leistungen.

Positiv ist die Verstetigung der Weiterbildungsförderung für geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer/innen nach dem Programm „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ (WeGebAU in § 81 Abs. 2 SGB III). Es fehlen aber Regelungen, die auch für andere benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt eine gezielte Qualifizierungsförderung ermöglichen (Langzeitarbeitslosen, Nichtleistungsempfänger/innen, Menschen mit Behinderungen).

Etwa 300.000 Migrant/innen haben in ihren Herkunftsländern einen Berufsabschluss erworben, der in Deutschland nicht anerkannt wird. Sie benötigen eine Anschlussqualifizierung, um dem deutschen Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehen zu können. Nach dem „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ sollen die Kammern künftig eine Feststellung über den Nachqualifizierungsbedarf treffen. Diese Regelung läuft aber für die Migrant/innen, die auch als Fachkräfte fehlen, ins Leere, wenn es keine Unterstützung beim Nachholen eines anerkannten Berufsabschlusses oder Studienabschlusses gibt. Ohne abschlussbezogene Förderung verbleiben sie zwangsläufig in unterwertiger Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit. Der Gesetzentwurf muss mit konkreten Maßnahmen zur Ergänzungs- und Anpassungsqualifizierung ergänzt und das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium auf diesen Personenkreis abgestimmt werden.

§ 179 Abs. 1 Satz 2 SGB III:
In Zukunft können Maßnahmen nicht mehr gefördert werden, wenn die Kosten die von der BA jährlich ermittelten durchschnittlichen Kostensätze „nicht unverhältnismäßig“ übersteigen. In der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung (AZWV) steht demgegenüber, die Kosten sollen „unter Berücksichtigung der für das jeweilige Bildungsziel von der Bundesagentur für Arbeit jährlich ermittelten durchschnittlichen Kostensätze angemessen“ sein. Abweichend davon wäre der durchschnittliche Kostensatz künftig praktisch die Obergrenze. Die Preisspirale nach unten wird damit weiter verstärkt. Die geplanten Regelungen im Gesetzentwurf würden die Durchschnittskostensätze durch den Wettbewerb über den Preis weiter drücken. Keine Berücksichtigung findet, dass Kosten auch unangemessen niedrig sein können. Die AZWV regelt, dass die Zulassung einer Maßnahme in einem solchen Fall zu verweigern, im Gesetzentwurf ist das nicht vorgesehen. Dies hat fatale Auswirkungen auf die Qualität der Maßnahmen und führt zum Lohndumping in der Weiterbildungsbranche.

ver.di fordert eine Reform des Vergabeverfahrens, die die Vergabe von Maßnahmen nach Qualität statt nach dem Preis ermöglicht. ver.di schlägt hier die Regelung von Festpreisen nach bewährten Verfahren vor. Zusammen mit dem Mindestlohn in der Weiterbildungsbranche, der erneut von ver.di nach dem im Entsendegesetz vorgesehenen Verfahren beantragt wurde, wäre dies ein Schritt in Richtung Qualität von Arbeitsfördermaßnahmen.


Quelle: Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di – zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 24. Juni 2011)


Sie können die vollständige Stellungnahme hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik, Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 25.08.2011