Förderung der beruflichen Weiterbildung

Zurück zur Übersicht

Aufruf: „Arbeitsmarktpolitik für alle“

Rücknahme der Sparbeschlüsse – Umkehr bei Instrumentenreform

Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik für alle!

Die Unterzeichner dieses Aufrufs eint die Idee von einer Gesellschaft, die alle Menschen mitnimmt und keinen zurücklässt. Wir wollen eine Gesellschaft, die integriert und niemanden ausgrenzt. Jeder Mensch in unserem Land, ob jung oder alt, ob gesund oder krank, ob mit oder ohne Behinderung, hat ein Recht auf Teilhabe an unserer Gesellschaft. Verantwortungsbewusste Politik muss dafür Sorge tragen, dass jede und jeder einzelne dieses Recht auch verwirklichen kann. Politik muss den Menschen in diesem Land Türen öffnen und darf ihnen keine Wege verbauen.

Erwerbstätigkeit ist ein zentraler Schlüssel zu Teilhabe. Deshalb brauchen wir eine Arbeitsmarktpolitik, die alle in den Blick nimmt und sich nicht nur auf die Leistungsstärksten konzentriert. Kein Arbeitsloser darf fallen gelassen werden. Wir brauchen passgenaue Hilfen und Perspektiven für jeden einzelnen. Das ist nicht nur eine Frage sozialstaatlicher Verantwortung. Es ist eine Frage der Menschenwürde: Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik für alle.


Wir wollen keine Zweiteilung des Arbeitsmarktes!

Aktuell steuern wir mitten in eine Zweiteilung des Arbeitsmarktes hinein. Der konjunkturelle Aufschwung kommt nicht bei allen gleichermaßen an. Wer profitiert, sind die gut qualifizierten, gut vermittelbaren Arbeitslosen, die erst kurze Zeit arbeitslos waren. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit geht einher mit einem zunehmenden Fachkräftemangel in einigen Branchen, wodurch sich knapp werdende und gut qualifizierte Fachkräfte ihre Zukunftsoptionen bei verschiedenen Arbeitgebern sichern können. Weniger gut qualifizierte, ältere Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen und chronisch Erkrankte haben das Nachsehen.

Während die Anzahl der Arbeitslosengeldempfänger im Vergleich zum Vorjahr in der Tat um 20 Prozent zurückgegangen ist, bewegte sich bei den Grundsicherungsbeziehern nur wenig. Hier beträgt der Rückgang nur 4 Prozent. Die Langzeitarbeitslosigkeit vieler Menschen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende hat sich seit Jahren verfestigt. Rund 800.000 von ihnen sind bereits länger als zwei Jahre im Leistungsbezug, darunter 400.000 Menschen, die seit Einführung von Hartz IV ununterbrochen von der staatlichen Hilfe abhängig sind.


Wir brauchen einen arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel!

Trotz der anhaltend hohen Langzeitarbeitslosigkeit wurden in den letzten Monaten die Hilfen für Langzeitarbeitslose massiv reduziert. Vor allem öffentlich geförderte Beschäftigung, aber auch Fort- und Weiterbildungsangebote sowie niederschwellige Maßnahmen für diese Personen wurden massiv eingeschränkt.

Durch die Kürzungen der Bundesregierung haben die Arbeitsagenturen und insbesondere die Jobcenter schon jetzt wesentliche Spielräume für die Förderung von Langzeitarbeitslosen verloren. Das Budget für Eingliederungsleistungen im Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) wurde bereits in diesem Jahr bundesweit um 25 Prozent gekürzt und beträgt nur noch 4,6 Mrd. Euro. Im nächsten Jahr drohen die Eingliederungsmittel um eine weitere Milliarde Euro abgesenkt zu werden. In der Folge werden weite Teile der Infrastruktur und Hilfen für Langzeitarbeitslose ersatzlos abgebaut.

Die geplante Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird die Situation weiter verschärfen. Statt Instrumente zur Förderung von Langzeitarbeitslosen sinnvoll weiterzuentwickeln, werden notwendige Hilfen eingeschränkt. Den Jobcentern werden entgegen der Gesetzesintention Handlungsspielräume zur lokalen Maßnahmengestaltung genommen.

Die aktuelle einseitige Fokussierung der Arbeitsmarktförderung auf arbeitsmarktnahe Personen mit geringem Unterstützungsbedarf und schnellen Vermittlungserfolgen geht eindeutig zulasten von Langzeitarbeitslosen. Wir brauchen dringend einen arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel – zurück zu einer Arbeitsmarktpolitik für alle.


Wir fordern die Politik zur Umkehr auf:
  • Die Kürzungen der Bundesregierung zur aktiven Arbeitsmarktförderung müssen rückgängig gemacht werden. Um Teilhabe an Arbeit für alle zu organisieren und neue Chancen auch für Langzeitarbeitslose, darunter ältere und gering qualifizierte Arbeitslose, aber auch Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, zu schaffen, bedarf es ausreichender finanzieller Mittel.

  • Dezentrale Handlungsspielräume müssen ausgebaut werden, damit die Jobcenter passgenaue Maßnahmen und Hilfen für jeden einzelnen anbieten können. Dazu gehört auch, dass weder Budgetdeckelungen noch Vorgaben zur zeitlichen Befristung von Maßnahmen die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort künstlich einschränken. Zentrale und einschränkende Kriterien dürfen nicht verhindern, dass sinnstiftende und qualifizierende Tätigkeiten in Arbeitsgelegenheiten angeboten werden können. Derartige Restriktionen können dem Einzelfall nicht gerecht werden. Entsprechende Regelungen, die in der geplanten Instrumentenreform vorgesehen sind, sind zu streichen.

  • Auch für jene Menschen, die trotz aller Bemühungen auf absehbare Zeit ohne Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt bleiben, muss Arbeitsmarktpolitik Lösungen bereithalten. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr längerfristig geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsangebote, damit Langzeitarbeitslose in sinnstiftender Beschäftigung qualifiziert werden können. Gerade seelisch behinderte Menschen haben in der Vergangenheit beispielsweise von der Förderung mittels Beschäftigungszuschuss profitieren können.

  • Für alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bedarf es einer verlässlichen Infrastruktur. Um Teilhabe an Arbeit dauerhaft und nachhaltig organisieren zu können, brauchen die Leistungserbringer in der Arbeitsförderung (so etwa Beschäftigungsunternehmen, Träger der Fort- und Weiterbildung) rechtliche und finanzielle Sicherheit.

Berlin, Juli 2011


Hier kommen sie zur Homepage des Paritätischen. Dort können sie den Aufruf online unterschreiben.


Schlagworte zu diesem Beitrag: Öffentliche Beschäftigungspolitik
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.07.2011