Förderung der beruflichen Weiterbildung

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Krise Lernen

Es gehört zu den Annahmen über Lernen, dass es durch Probleme, durch Schwierigkeiten, durch Krisen angestoßen und ausgelöst wird. Lernen findet dann statt, wenn Routinen nicht mehr greifen, wenn man mit dem Hergebrachten nicht mehr auskommt und also Neues ansteht.

Zu erwarten wäre, dass grundlegende gesellschaftliche Umbruche vielfältige Lernanlässe liefern, weil alte Interpretationen fragwürdig werden und nicht mehr greifen. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Mythen über die unerschütterlich Stabilität, hohe Effizienz und resultierende Unveränderbarkeit der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung zerbrechen.

Die Krise hat gezeigt, dass der Kapitalismus keineswegs so stabil und zugleich effizient ist, wie von der herrschenden Wirtschaftswissenschaft stets behauptet. Vielmehr hat der Zusammenbruch der Finanzmärkte die Verletzlichkeit der internationalen Geldströme deutlich gemacht. Und damit wurden auch die Gebrauchswertproduktion und der Ressourceneinsatz getroffen. Die Finanzkrise schlägt durch auf die Realökonomie.

Die Krise hat gezeigt, dass das scheinbar Illusionäre möglich ist. Es wurden unvorstellbare Summen aus den Staatskassen mobilisiert, um den privaten Reichtum zu sichern. Die Behauptung, es sei kein Geld da und die Forderungen nach Mittelerhöhung für Gesundheit, Bildung und Umwelt könnten deshalb nicht realisiert werden, ist nun endgültig unglaubwürdig.

Die Krise hat gezeigt, dass Erwerbslosigkeit nur durch Arbeitszeitverkürzung – und sei es in Form von Kurzarbeit – gemildert werden kann. Karl Georg Zinn zeigt, dass der langfristige Trend der Senkung des Arbeitsvolumens durch die Meldungen der Senkung der Arbeitslosenzahlen nur verschleiert wird. Teilzeitarbeit und Minijobs haben enorm zugenommen und verändern auch langfristig die Strategien des Arbeitseinsatzes.

Lernen durch die Krise?

Die Erschütterung der Finanzsysteme ist keineswegs vorüber. Aber schon setzt die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wieder auf genau die Politik, die in die Krise geführt hat. Die konjunkturelle Erholung wurde keineswegs durch die „Selbstheilungskräfte der Märkte“ angestoßen, sondern durch massive Staatseingriffe mittels umfangreicher Konjunkturprogramme. Realisiert wurde eine zeitlich befristete Arbeitszeitverkürzung durch Ausweiten der Kurzarbeit und Abbau von Arbeitszeitkonten. Resultat war in Deutschland nach dem Einbruch der Wirtschaftsleistung 2009 um 4,7% bereits 2010 ein Umkippen des Wirtschaftsklima, was 2010 schon wieder zu einem exzellenten Gewinnjahr machte.

Dies hat ein grundsätzliches Neudenken und Umlernen behindert. Notwendig wäre, wie Friedhelm Hengsbach aufweist, moralisches, ökonomisches und finanzpolitisches Lernen aus der Erfahrung der Krise. Kaum aber sind die drohenden Szenarien wieder etwas aufgehellt, kehrt die herrschende Politik zu den alten Mustern der Umverteilung von unten nach oben zurück: Rückbau des Sozialstaates und Lohnkürzungen sind die Leitlinien.

Lernen in der Krise

Der von den Gewerkschaften geforderte und unterstützte Versuch einer Kopplung von Kurzarbeit und Weiterbildung hat nicht gegriffen. Die Programme WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) und KuG und Quali (Kurzarbeitergeld und Qualifizierung) haben nur einen kleinen Teil der Kurzarbeitenden und von Erwerbslosigkeit Bedrohten einbezogen.

Schon seit 2006 fördert die Agentur für Arbeit unter dem Kürzel WeGebAU die Lehrgangskosten und einen Zuschuss zu den notwendigen übrigen Weiterbildungskosten.
Arbeitgeber, die geringqualifizierten Arbeitnehmer für WeGebAU freistellen, erhalten im Rahmen des § 235c SGB III für den Zeitraum, in dem der Mitarbeiter keine Arbeitsleistung erbringt, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt einschließlich des darauf entfallenden, pauschalierten Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag für weiterbildungsbedingte Zeiten ohne Arbeitsleistung.

Ab 01.01.09 können alle Bezieher von Kurzarbeitergeld mit ESF-Mitteln gefördert werden, wenn die Ausfallzeiten für Weiterbildung genutzt werden. Die Höhe der Förderung ist abhängig von der Art der Qualifizierung ("allgemeine" oder "spezifische" Weiterbildungsmaßnahme) und der Größe des Unternehmens. Es können maximal 80 % der Lehrgangskosten erstattet werden, die als angemessen im Sinne der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung (AZWV) gelten.

Trotz dieser Zuschuss-Programme haben sich die Unternehmen in der Krise deutlich zurückgehalten die Unterstützungschancen zu nutzen. Die Personalstrategie folgte vielmehr dem alten Muster, die Stammbelegschaften knapp zu halten und auf die Reservearmee des Arbeitsmarkts zurückzugreifen. Konsequenterweise erklingt anschließend wieder die Klage wegen angeblichen Facharbeitermangels. Die Qualifizierungspolitik der BA unterstützte dieses Muster (Beitrag Schulz-Oberschelp). Die einzelnen Weiterbildungsträger überlebten, weil gleichzeitig langfristige Weiterbildungsbedarfe vor allem aufgrund demographischer Tendenzen unabweisbar werden (Beitrag Dunkel/Langer).

Der Nachweis der Systemrelevanz von Weiterbildung, den Dieter Gnahs erbringt, ist langfristig zweifellos plausibel, erreicht aber kurzfristig weder die Unternehmen, die die ihren einzelwirtschaftlichen Kalkülen folgend weiter die Bildungsetats prozyklisch kürzen, noch die Arbeitsmarktpolitik, die sich schon wieder von den – durchaus erfolgreichen - Beschäftigungsprogrammen verabschiedet hat.

Lernen aus der Krise

Der politische Druck reicht angesichts des langfristig erzeugten Gefühls der Machtlosigkeit und Hilflosigkeit nicht aus um eine nachhaltige Umsteuerung zu erzwingen. Die Träger politischer Bildung, die eigentlich zu Entideologisierung und Orientierung angesichts der Krisenwirkungen beitragen könnten, werden auf die Ebene der Postulate zurückgedrängt (Stellungnahmen des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten (AdB)).

Diese Feststellungen dürfen allerdings nicht als Anklage verstanden werden, wenn sie nicht zur Resignation beitragen wollen. Immerhin hat die Krise auch aufgezeigt, dass Alternativen möglich sind (Beitrag Peter Faulstich). Es gibt zumindest Ansätze zum moralischen Neustart und Umlernen.

Prof. Dr. Peter Faulstich


Quelle: Denk-doch-mal, Ausgabe 2/2011


Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 28.03.2011