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Gute Integrationspolitik verlangt nach Mitbestimmung von MigrantInnen und DozentInnen in Integrationskursen

Integration kostet Anstrengung –von beiden Seiten. Sie funktioniert nicht mit Druck und Verboten sondern braucht Sprache, Zuhören, Verständnis, Fragen, Antworten, Bildung, Vorbilder und vor allem Geduld, täglich und jahrelang.

Niemand weiß das besser als diejenigen, die ihre Kraft jeden Tag genau diesen Zielen widmen: die Lehrerinnen und Lehrer in staatlichen Schulen ebenso wie die Lehrkräfte in Integrations-, Orientierungs- und Sprachkursen für Zuwanderer.

Früher mussten sich MigrantInnen aus eigener Kraft integrieren. Heute gibt es, für erwachsene Neu-ZuwanderInnen verbindlich, Kurse zur Sprachvermittlung und Orientierung. Vor allem für Frauen sind sie eine gute Möglichkeit, Eindrücke jenseits der eigenen familiären Lebenswelt zu bekommen und die meisten von ihnen sind dafür sehr dankbar. Frauen sind ein wichtiger, wenn nicht DER Integrationshebel. Ebenso wertvoll, weil sie Isolation aufheben, sind Kurse für AnalphabetInnen. Viele der Lese- und Schreibunkundigen konnten in ihrer Heimat überhaupt keine Schule besuchen. Das ist ihnen nicht vorzuwerfen. Viele der sog. AltzuwanderInnen drängen geradezu in die Alphabetisierungskurse.

Wir, die DozentInnen in Integrations- und Sprachkursen sind Brückenbauer, Mittler in der ersten Reihe, setzen uns täglich mit den Vorstellungen und Lebenswirklichkeiten, den Nöten und Bedürfnissen sowie den Fähigkeiten dieser Menschen aus anderen Kulturen auseinander. Wir haben eine Menge zur Integrationsdebatte zu sagen, was sich allerdings nicht in ein paar Schlagwörtern ausdrücken lässt.

Wir wenden uns entschieden gegen eine Diskussion, die behauptet, dass mangelnde Integration genetisch bedingt oder das Resultat angeblicher Unwilligkeit von MigrantInnen sei. Im Gegenteil, wir wundern uns über das Vertrauen, die Dankbarkeit und den Langmut von vielen, die trotz erheblicher Schwierigkeiten und Hürden, die sie zu meistern haben, nicht resignieren.

Es gibt keine andere Chance zur Integration als die Menschen dort „abzuholen“, wo sie stehen. Den in Deutschland lebenden MigrantInnen Sprache und Bildung zu vermitteln ist unsere Bringschuld. Diese Anstrengung wurde von Seiten der deutschen Politik jahrelang versäumt; Auch heute sind kaum mehr als Anfangserfolge erreicht. Integration kostet Ressourcen und Geld, die von der Politik nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden. Auch dies spüren wir „IntegrationsarbeiterInnen“ schmerzlich am eigenen Leib. Es mangelt an pekuniärer und gesellschaftlicher Anerkennung. Konkret bedeutet dies Dumpinglöhne, Minihonorare, fehlende soziale Absicherung, zu erwartende Altersarmut sowie nicht vorhandene Mitbestimmung.

In der Integrationsdebatte wird die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die Integrationskursträger (verschiedene Bildungsinstitute und Volkshochschulen, die im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit knappsten Finanzmitteln die Integrations-Kurse durchführen) und wir DozentInnen wissen, was unsere TeilnehmerInnen brauchen, damit Integration gelingen kann. Doch wir werden dazu nicht gefragt bzw. gehört. Wir kochen unser dünnes Integrationssüppchen nur mit Wasser und Brot, denn mehr ist von Seiten der Regierungspolitik für Integration nicht vorgesehen. Das „Schmackhafte“ müssen wir aus eigener Anstrengung dazu beisteuern und sind damit trotz enormen Engagements aufgrund unserer persönlichen prekären Situation total an der Grenze der Belastbarkeit bzw. überfordert.

Neueste Bestimmungen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, welche z.B. die Fahrtkosten für die TeilnehmerInnen streichen, die bis zu 3 km vom Kursort entfernt wohnen sind kontraproduktiv, weil sie genau diejenigen ausgrenzen, die Integrationshilfe sehr nötig haben: Menschen ohne eigenes Einkommen, Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, ältere Menschen und Mütter mit Kleinkindern.

Gleichzeitig wird es wegen des hohen bürokratischen Aufwands für die Integrationskursträger schwieriger, die Kurse zu besetzen. Längeren Wartezeiten für die Teilnehmenden sind die Folge. So nimmt auch die Zahl der Arbeitsplätze für IntegrationskursdozentInnen ab, weil im selben Zeitraum weniger Kurse stattfinden können, trotz des großen Interesses der MigrantInnen.

Das erweckt den Eindruck, dass die Integration seitens der Politik und des ausführenden Bundesamtes in der täglichen Praxis eher erschwert und weiter bürokratisiert werden soll. Die Probleme müssen „auf den Tisch“! Ein offener Dialog zwischen allen Beteiligten ist unserer Meinung nach der einzige Weg aus diesem Dilemma! Solange wir DozentInnen aus allen entscheidenden Gremien ferngehalten werden, gehen die Entscheidungen an der Lebenswirklichkeit vorbei!

Vernünftige Integrationspolitik sieht anders aus!!

Unsere Erfahrungen und Meinungen sind es wert, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu
werden. Deshalb möchten wir uns gern mit Ihnen unterhalten.


Quelle: Gemeinsame Stellungnahme DaZ-Netzwerk und Aktion Butterbrot sowie der GEW zur laufenden Integrationsdebatte.

Sie können die Stellungnahme mit Kontaktadressen hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Freiberufler/Selbstständige, Honorar, Integrationskurse
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 29.09.2010