Berufliche Weiterbildung

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Aktuelle Studie belegt Schwächen der deutschen Familienpolitik

Erziehungsurlaub verringert Weiterbildungschancen

Auch Frauen ohne Kinder erhalten weniger Qualifizierungsangebote

Deutschland gehört weltweit zu den Ländern, die Müttern den längsten Erziehungsurlaub gewähren. Doch mit dieser Elternzeit sind nicht nur Vorteile für junge Frauen und Familien verbunden. Eine vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) veröffentlichte Studie zeigt vielmehr, dass sich die Weiterbildungswahrscheinlichkeit von Müttern, aber auch von jungen Frauen ohne Kinder, seit der gesetzlichen Ausweitung des Erziehungsurlaubs von 18 auf 36 Monate im Jahr 1992 in den Jahren danach deutlich um ein Drittel oder gar die Hälfte verringert hat. Die Weiterbildung auf Initiative des Arbeitgebers war dabei besonders stark rückläufig. Dieser letztlich von der Politik hervorgerufene Negativeffekt wurde nur zum Teil durch Weiterbildung aus Eigeninitiative kompensiert. Angesichts der auch im Rahmen der geänderten Elternzeitbestimmungen weiterhin gültigen maximalen Auszeit von 36 Monaten dürften Frauen auch heute im Weiterbildungsbereich starken Benachteiligungen ausgesetzt sein. Die Reformen von 2001, nach denen beide Elternteile gleichzeitig Elternzeit nehmen und dabei Teilzeit arbeiten können sowie die Reform von 2007, die finanzielle Anreize bietet, dass auch Väter Elternzeit beanspruchen, dürften hier nur einen geringen „Ausgleich“ zwischen den Geschlechtern geschaffen haben. Aktuelle Vorschläge, den Ausbau und die Nutzung von Krippenplätzen durch Betreuungsgelder zu bremsen, laufen wiederum darauf hinaus, die Weiterbildung von jungen Frauen negativ zu beeinflussen, da es immer noch die Mütter sind, die den Löwenanteil der Elternzeit in Anspruch nehmen.

Seit 1992 sieht das Bundeserziehungsgeldgesetz vor, dass sich junge Mütter (und Väter) bis zu drei Jahre um ihre Kinder kümmern können und anschließend das Recht auf einen mit ihrer letzten Anstellung vergleichbaren Arbeitsplatz bei ihrem früheren Arbeitgeber haben. Zuletzt unter der Bezeichnung „Elternzeit“ wurden die gesetzlichen Bestimmungen seitdem wiederholt modifiziert. Deutschland verfügt damit über eine sehr großzügige Ausgestaltung von Mutterschutz und Erziehungszeit, während in anderen Staaten, wie etwa den USA (lediglich 12 Wochen Mutterschutz), eine weit schnellere Rückkehr ins Erwerbsleben vorgesehen ist.

Eine Studie von Patrick Puhani und Katja Sonderhof (Leibniz Universität Hannover) analysiert die Auswirkungen des dreijährigen Erziehungsurlaubs auf die Weiterbildungsaktivitäten von Müttern und jungen Frauen ohne Kinder. Das Ergebnis ist alarmierend: Der Untersuchung zufolge ist die Weiterbildung dieser Personengruppe im Vergleich zur Entwicklung für ältere Frauen und für Männer stark zurückgegangen. Angesichts des wachsenden Stellenwerts von Qualifizierung und lebenslangem Lernen und des hohen Humankapitalpotenzials junger Frauen stellt dieser Befund der Familienpolitik kein gutes Zeugnis aus. Die Geburtenrate ist nämlich in dieser Zeit auch nicht gestiegen. Besonders auffällig ist, dass Arbeitgeber nicht nur Mütter von Angeboten zur Weiterbildung ausschließen, sondern auch die Weiterbildung von kinderlosen Frauen reduzieren, sofern diese im gebärfähigen Alter sind und daher von der dreijährigen „Babypause“ mit Beschäftigungsschutz Gebrauch machen könnten.

Durch die verlängerten Rechtsansprüche auf Elternzeit verspüren Firmen offenbar einen zu geringen Anreiz, in die Weiterbildung von jungen Frauen zu investieren. Im Gegenzug nahmen zwar die Eigenaktivitäten der Frauen auf dem Gebiet der Weiterbildung zwischen 1987 und 1993 um bis zu 40 Prozent zu, aber dem steht ein Rückgang der Weiterbildungswahrscheinlichkeit auf Anordnung des Arbeitgebers um 30-50 Prozent gegenüber. Unterm Strich steht ein Rückgang der Weiterbildungswahrscheinlichkeit um bis zu 20 Prozent. Da heute ebenso wie 1992 eine Elternzeit von bis zu 3 Jahren in Anspruch genommen werden kann und davon meistens die Mütter Gebrauch machen, erhalten junge Frauen nach dieser Studie auch heute aufgrund der langen zu erwartenden Erwerbsunterbrechung durch die Elternzeit weniger Weiterbildung.

„Das Verhalten vieler Arbeitgeber ist aus ökonomischer Sicht rational, denn sie wollen nicht in
Arbeitnehmer investieren, die die Möglichkeit haben, drei Jahre lang den Arbeitsplatz zu
verlassen. Vor diesem Hintergrund sollte über sinnvollere Alternativen nachgedacht werden,
wie Familie und Arbeit in einen besseren Einklang gebracht werden können. Der Erziehungsurlaub könnte auf 12 Monate verkürzt werden, wenn zugleich die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Alter von bis zu 3 Jahren deutlich ausgebaut und den Bedürfnissen der Familien angepasst werden. In Frankreich sind es vermutlich nicht zuletzt die guten Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die zu höheren Geburtenraten bei einer gleichzeitig hohen Frauenerwerbsquote und geringen Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen geführt haben. Vor diesem Hintergrund ist das derzeit in der Diskussion stehende Betreuungsgeld in Verbindung mit einer langen Elternzeit nicht hilfreich, um Karriere und Kinder unter einen Hut zu bringen. Ganz im Gegenteil: Im Vergleich zu Frankreich führt dies eher zu schlechten Karrierechancen für Frauen und zu niedrigen Geburtenraten. Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn eine solche Politik unter konservativem Vorzeichen den Bevölkerungsrückgang noch weiter vorantreiben würde“, so Patrick Puhani.

Die vollständige Studie erscheint in Kürze im Journal of Population Economics und liegt als IZA Discussion Paper vor:


Quelle: IZA-Pressemitteilung, 7. Januar 2010


Schlagworte zu diesem Beitrag: Berufliche Weiterbildung, Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 07.01.2010