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Ein Mindestlohn für die Branche Weiterbildung - Jetzt!!

Am 31. März haben die Gewerkschaften Verdi und GEW gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband BBB (Bundesverband der Träger beruflicher Bildung) einen Antrag auf Aufnahme eines Mindestlohn-Tarifvertrags Weiterbildung in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (ArbEntG) gestellt. Diesen Branchen-Tarifvertrag, der lediglich den Mindeststundenlohn von Verwaltungskräften und Pädagogischem Personal und die Dauer des Jahresurlaubs regelt, hatten sie 2007 abgeschlossen.

Aus- und Weiterbildung ist eine sehr heterogene Branche mit vielen Ausfransungen. Sie umfasst die allgemeine, politische und berufliche Bildung und findet an vielen Lernorten wie Volkshochschulen, betrieblichen Bildungseinrichtungen, Sprachschulen, unzähligen kleinen und privaten Bildungsangeboten bis hin zu anerkannten Rehabilitationsträgern statt. Von dem Tarifvertrag ist nun nicht die gesamte Branche Weiterbildung erfasst, sondern nur das Branchensegment „Förderung von Arbeitslosen, bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen“. In diesem Bereich, der schwerpunktmäßig von der Bundesagentur für Arbeit, den Arbeitsgemeinschaften nach SGB II, bzw. aus Europaprogrammen von Kommunen oder Bundesländern finanziert wird, arbeiten ca. 40.000 Menschen, von denen etwa 23.000 tariflich gebunden sind.

Die Vergabe von Bildungsaufträgen in diesem Bereich erfolgt seit den „Hartz-Reformen“ mit öffentlichen Ausschreibungen nach Vergaberecht (VOL/A). Dies hat zu großen Verwerfungen auf diesem Markt geführt. Auch wenn die Bundesagentur immer wieder das Gegenteil beteuert, erleben wir, dass diese Aufträge zunehmend an den billigsten Anbieter vergeben werden. Da im Dienstleistungsbereich die Personalkosten etwa zwischen 55 bis 70% der Gesamtkosten ausmachen, ist die Entlohnung des Personals von entscheidender Bedeutung für die Chancen auf einen Zuschlag. Diese Entwicklung hat zu Druck auf die Arbeitsbedingungen wie den Wegfall von Vor- und Nachbereitungszeit und zur Entstehung eines Neuen Typs des Pädagogen geführt, dem Pädagogischen Wanderarbeiter: Er wandert mit dem Auftrag (zum Beispiel einer berufsvorbereitenden Maßnahme für Jugendliche) von einem Bildungsträger zum nächsten; er verliert bei jedem Wechsel seines Arbeitgeber zwischen 100 und 200 Euro an Gehalt und sein Arbeitsvertrag endet jeweils mit Maßnahmeende. Die schlechten Verdienstmöglichkeiten (zwischen 1.400 (Ost) und 1.600 € (West) sind inzwischen keine Seltenheit mehr - in Einzelfällen liegt die Entlohnung sogar bei 1.200 € für eine Vollzeitstelle) und die unsicheren Perspektiven fördern die Abwanderung von Mitarbeiter/innen in andere Branchen. So führt das Vergabeverfahren mittelfristig zu einem Verlust von pädagogischer Substanz und langjähriger Erfahrung.

Der Mindestlohn in der Weiterbildung will diese Entwicklung stoppen, in dem er eine Untergrenze für die Bezahlung von pädagogischem Personal (12,28 € West, 10,93 € Ost) festlegt. Hinter dem Begriff „pädagogisches Personal“ verstecken sich Ausbilder/innen mit Ausbildereignung, Meister/innen, Lehrer/innen oder Sozialpädagogen oder Sozialpädagoginnen. Dieser Mindestlohn bewegt sich in der Höhe des Mindestlohns für das Bauhauptgewerbe (12,50 € West, 9,80 € Ost), da pädagogische Mitarbeiter/innen mindestens über eine Facharbeiterqualifikation verfügen müssen. Durch diesen Mindestlohn soll die Konkurrenz der Träger wirklich über Qualität oder neue Konzeptionen und nicht wie jetzt über die Bezahlung des pädagogischen Personals laufen. Über 5.500 Mitarbeiter/innen aus der Weiterbildung haben diesen Wunsch mit ihrer Unterschrift auf den Unterschriftenlisten „Mindestlohn für die Weiterbildung – Jetzt!“ bekräftigt.

Der Mindestlohn soll aber nur ein erster Schritt sein. Die strukturierende Wirkung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TV ÖD oder TV L, früher BAT) für die Branche hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark nachgelassen. Mit dem Branchen-Tarifvertrag ist jetzt erstmals ein Abschluss mit einem Arbeitgeberverband gelungen, der für größere, wie mittlere und kleinere Unternehmen gleichzeitig gilt.
Damit ist ein erster wichtiger Schritt gelungen, die Branche Weiterbildung – was die Arbeitsbedingungen des pädagogischen Personals betrifft – zu strukturieren. Auf diesen Abschluss soll aufgebaut werden mit einem umfassenderen Tarifvertrag. Diese Regelungen würden sicher auch auf andere Teilbereiche (z.B. auf die Rehaträger oder die ausgegründeten Volkshochschulen) ausstrahlen.

Stendal, den 10.04.2008

Ulrich Kreutzberg
GBR-Vorsitzender der VHS-Bildungswerk in Sachsen-Anhalt GmbH
Sprecher des Arbeitskreises der Betriebsräte überregionaler Weiterbildungsträger


Schlagworte zu diesem Beitrag: Mindestlohn, Volkshochschule
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009