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Qualitätsoffensive statt Ausverkauf der beruflichen Weiterbildung

"Der DGB Bezirk Nordrhein-Westfalen, das Kolpingwerk Landesverband Nordrhein-Westfalen und der Westdeutsche Handwerkskammertag fordern Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit auf, Qualitätsstandards bei den Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte junge Menschen sowie ältere Arbeitnehmer zu gewährleisten.

Mit den "Hartz-Reformen" sollten für Arbeitslose statt langer und teurer Umschulungen sowie berufsqualifizierender Maßnahmen zunehmend kürzere und passgenaue Qualifizierungen angeboten werden, um schneller auf den Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft reagieren zu können. Wo dieses Konzept bei sparsamen Umgang mit den Haushaltsmitteln der Bundesagentur für Arbeit zu schnellerer Arbeitsaufnahme führt und somit Arbeitslosigkeit rascher abgebaut wird, findet dieses unsere Zustimmung.

Wir befürchten, dass die Bundesagentur für Arbeit die Qualifizierung und Integration Arbeitsloser durch Qualitätsverschlechterung der Instrumente der Bundesagentur verspielt. Wohin das führt, kann man an der Insolvenz von Maatwerk erkennen.

Die Bundesagentur ist dazu übergangen, dass zentrale Vergabestellen Aufträge in großen Losen ausschreiben, die mehrere Arbeitsmarktregionen zusammenfassen. Den Zuschlag erhält der billigste Anbieter, der seine Qualität und Kompetenzen praktisch nur noch per Selbstverpflichtung "nachzuweisen" braucht. Der Billigste ist aber nicht unbedingt der Wirtschaftlichste.

Nach § 84 SGB III hätte zwar eine fachkundige Stelle zu überprüfen, ob der Anbieter die erforderliche Leistungsfähigkeit besitzt. Dazu gehören Aus- und Fortbildung sowie Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte, ein Qualitätssicherungssystem und die Fähigkeit, durch eigene Vermittlungsbemühungen die Eingliederung von Teilnehmern in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Bis heute wurde diese fachkundige Stelle von der Bundesregierung nicht eingerichtet. So lange es diese nicht gibt, entscheidet die Bundesagentur für Arbeit allein, wen sie beauftragt. Die Konsequenz ist, dass kleine regionale Anbieter, die in den örtlichen Arbeitsmarkt eingebunden sind, auf der Strecke bleiben, auch wenn sie ihre Qualität in der Vergangenheit schon oft unter Beweis gestellt haben. Dabei geht es nicht um Träger, sondern um die betroffenen Arbeitslosen. Sie müssen auf die Anforderungen im Arbeitsmarkt sehr gut vorbereitet werden. Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung begrüßen wir, dass das Bundeskartellamt zurzeit die Vergabepraxis von Arbeitsmarktdienstleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit überprüft.

Die Richtlinien der Verdingungsordnung Bau (VOB) und VOL/A (Verdingungsordnung für Leistungen) legen fest, das der wirtschaftlichste Anbieter genommen werden muss. Das ist nicht immer der Billigste. Jeder der einen solchen Auftrag vergibt, muss prüfen, ob der Anbieter auch in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Einsparerfolge an dieser Stelle können teuer zu stehen kommen. Die Insolvenz vom Maatwerk ist ein Beleg dafür. Betroffen sind davon wieder diejenigen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen und diejenigen, die die Qualifizierungsarbeit leisten.

Sollte jedoch die Strategie der Bundesagentur für Arbeit aufgehen, dass der billigste Anbieter sich am Markt durchsetzt, mit der Konsequenz, dass die ortsnahen Anbieter von Weiterbildung vom Markt verschwinden, werden nur noch wenige große Träger zukünftig der Bundesagentur für Arbeit ihre Preise diktieren können. Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen über ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, alle Bürger über die Steuern die Zeche für dieses Experiment zahlen.

Was bisher Personal-Service-Agenturen (PSA) oder Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen betraf, droht künftig den berufsvorbereitenden Maßnahmen der Jugendberufshilfe, deren Ausschreibung im März in NRW ansteht und danach allen anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten der Bundesagentur für Arbeit.

Im Interesse der betroffenen Arbeitslosen fordern wir daher die derzeit Verantwortlichen auf:

• Dumping-Anbieter auszuschließen,
• die ausgeschriebene Losgröße in der Regel auf die Bezirke der Agenturen für Arbeit zu beschränken,
• die spezifischen Bedürfnisse lernbehinderter Jugendlicher zu berücksichtigen, denen mit Maßnahmen im Schnelldurchlauf nicht gedient ist,
•den Bietern die Nähe zum regionalen Arbeitsmarkt abzuverlangen, da diese eine zwingende Voraussetzung für die Integration Arbeitsloser darstellt,
• den in der Vergangenheit tatsächlich erreichten Integrationsgrad in Ausbildung oder in den ersten Arbeitsmarkt zum ausschlaggebenden Qualitätskriterium zu machen.
• den Bietern für berufsvorbereitende Maßnahmen überprüfbare Konzepte abzuverlangen, wie Jugendliche in Ausbildung oder Arbeit gebracht werden sollen, dazu zählen unbedingt:

➞ ein Stamm an fest angestellten Fachkräften mit fachlicher Eignung und Erfahrung in der Jugendberufshilfe,
➞ die Einhaltung von Tarifverträgen.

Darüber hinaus gilt: In einer Wirtschaft, die zunehmend von der Ressource Wissen abhängt, wird berufliche Weiterbildung immer wichtiger. Dieses gilt für jeden Einzelnen, der Arbeit sucht oder sie behalten will. Dies gilt auch für jedes Unternehmen, das nur mit kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wettbewerbsfähig bleibt. Wir wissen auch um die neuen Herausforderungen, vor die uns die demographische Entwicklung in diesem Zusammenhang stellt: Arbeitnehmergruppen über 40 Jahre sind unter den Teilnehmern betrieblicher Bildungsmaßnahmen unterrepräsentiert. Dafür finden wir sie in der Gruppe der Langzeitarbeitslosen.

Mit den Hartz-Gesetzen hat die Bundesagentur ihre bisherige allgemeine arbeitspolitische Verantwortung für die Anhebung der Qualifikation Arbeitsloser ausdrücklich verloren.

Wie soll aber in Zukunft die berufliche Weiterbildung Arbeitsloser organisiert und finanziert werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit sich dafür nach den Hartz-Gesetzen nicht mehr zuständig sieht? Hier sehen wir den Bundesgesetzgeber in der Verantwortung, die Lücken, die er der beruflichen Weiterbildung mit Hartz III gerissen hat, wirtschafts- und bildungspolitisch wieder zu schließen.

Wir fordern die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auf, sich dafür einzusetzen."

Sie können das Dokument auch als pdf-Datei bei uns herunterladen.

Quelle: www.malz.de



Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 05.05.2004