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Bildungspraxis, Forschung und Politik im Dialog

„Praxisforschung nutzen - Politische Bildung weiterentwickeln“

Demokratie braucht politische Bildung – so lautet die Kampagne, die der Bundesausschuss Politische Bildung (bap) im Sommer 2010 angesichts bedenklicher Weichenstellungen der Sparpolitik startete, und die mittlerweile vielfältige Unterstützung findet. Der Konsens über die Notwendigkeit dieser Bildungsaufgabe ist breit verankert, die fachliche Debatte zu ihrer Umsetzung wird, gerade in der außerschulischen Szene der Jugend- und Erwachsenenbildung, intensiv geführt. Mangelware ist dagegen, wie jetzt eine Fachtagung am 14./15. Dezember 2010 in Berlin belegte, die systematische Nutzung empirischer Bildungsforschung für die Qualitätssicherung und Fortentwicklung der pädagogischen Praxis. Um hier Abhilfe zu schaffen hatte der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten vor zwei Jahren in Trägerschaft für den bap und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Forschungsprojekt „Praxisforschung nutzen - Politische Bildung weiterentwickeln“ in Gang gesetzt. Ziel des Projekts, das von der Erziehungswissenschaftlerin Dr. Helle Becker (Essen) geleitet wurde, war die Gewinnung und Nutzbarmachung empirischer Erkenntnisse für die außerschulische politische Bildung.

Die gut besuchte Fachtagung brachte Wissenschaftler, Praktiker und Bildungsverantwortliche ins Gespräch, an dem sich auch Vertreter aus Politik und Verwaltung, so aus dem Bundeministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ), dem Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und dem Deutschen Bundestag beteiligten. Der Präsident der Bundeszentrale, Thomas Krüger, betonte dabei die Notwendigkeit, dass Bildungsarbeit als Anwalt eines zivilgesellschaftlichen Bedarfs an Diskussions-, Konsultations- und Mobilisierungsforen offensiv agieren müsse. Worin dieser Bedarf im Einzelnen besteht, welche Motive bei der (Nicht-)Teilnahme eine Rolle spielen, wie von der Politik abgeschreckte Bevölkerungskreise aus der Reserve zu locken sind und welche Wirkungen sich in dem breiten Veranstaltungsspektrum der experimentierfreudigen außerschulischen Bildung erzielen lassen, war zentraler Gegenstand des Forschungsprojekts wie des Fachgesprächs in Berlin.

Helle Becker machte dabei deutlich, dass die Vorstellung von zielstrebig herstellbaren Bildungsresultaten an der Realität der Bildungspraxis vorbeigeht – und dass sie auch im Widerspruch zum Leitbild des mündigen Aktivbürgers steht. Die politische Bildungsaufgabe ist nicht an einem Output zu messen, aber sie ist zweifellos wirkmächtig, wie sich oft in der lebensgeschichtlichen Reflexion zeigt: Politische Bildung kann in biographisch passenden Situationen entscheidende Anstöße geben, sie kann Lust auf Veränderung machen – nicht nur im Blick auf konkrete Vorgänge und Vorhaben, sondern auch beim Selbstkonzept der Teilnehmer, die sich auf einmal als kompetente oder gefragte Akteure erleben. Das „Interesse am Neuen“ ist demnach ein wichtiges Teilnahme-Motiv, das gerade die innovationsbereite Jugend- und Erwachsenenbildung wecken oder aufgreifen kann.

Die Diskussion der Ergebnisse wurde in Berlin mit der generellen Frage nach einem zeitgemäßen Theorie-Praxis-Verhältnis verbunden. Wichtig sei, so der Konsens, ein hierarchisierendes Verhältnis von Anweisung oder Zulieferung, aber auch die Vorstellung, administrativ angeordnete Kontrolle zu überwinden, um zu einer wirklichen Zusammenarbeit zu gelangen. Auf der Tagung wurden dazu viele Anregungen gegeben und auch weitere Forschungsvorhaben, so von Prof. Achim Schröder (Darmstadt) und Prof. Helmut Bremer (Duisburg-Essen), vorgestellt. Für einen Forscher-Praktiker-Dialog ist, wie das Projekt erbrachte, auf Seiten der Bildungspraxis durchaus Anschlussfähigkeit gegeben, denn hier existiert ein breites Bemühen um Dokumentation und Reflexion der eigenen Tätigkeit. Lothar Harles, Vorsitzender des Bundesausschusses, hielt daher fest, dass das Projekt einen wichtigen Beitrag dazu leisten könne, die „verborgenen Schätze“ der Praxisforschung zu heben. Peter Ogrzall, Vorsitzender des AdB, wies auf die dringend notwendige Zusammenarbeit von Praxis, Forschung und Politik hin, die sich zueinander verhalten müssten wie „kommunizierende Röhren“.

Die Ergebnisse des Projektes werden Anfang 2011 veröffentlicht. Geplant ist die Herausgabe einer CD-ROM mit allen Texten und Dokumenten.


Quelle: Pressemitteilung des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten, 21. Dezember 2010


Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 21.12.2010

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024