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DGB zum Qualifizierungschancengesetz

Im Gesetz fehlt es vor allem an rechtlichen Ansprüchen zur Weiterbildung

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für ein Qualifizierungschancengesetz (Bearbeitungsstand: 30.08.2018)

Auszug aus der Stellungnahme

Recht auf Weiterbildungsberatung

Der DGB begrüßt die flächendeckende Einführung einer Weiterbildungsberatung für alle Arbeitslosen und alle Beschäftigten als verpflichtende Aufgabe der Arbeitsagenturen. Weiterbildungsberatung ist eine wichtige Voraussetzung und die Grundlage für eine Stärkung der beruflichen Weiterbildung.

Mit dem Gesetzentwurf wird der Beratungsauftrag der Agenturen für Arbeit ausgeweitet. Die bestehenden Beratungsinhalte „Berufsberatung“ und „Arbeitsmarktberatung“ (für Arbeitgeber) werden um „Weiterbildungsberatung“ bzw. „Qualifizierungsberatung“ erweitert (§ 291). Damit wird ein Rechtsanspruch auf Weiterbildungsberatung normiert – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Zudem sollen die Beratungsangebote der Arbeitsagenturen nicht nur wie bisher auf die Aufnahme einer Ausbildung oder Arbeit abzielen, sondern die Agenturen werden auch verpflichtet, Beratung anzubieten, die auf die Festigung des Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisses abzielt (bisher nur „Kann-Leistung“ nach § 31). Der DGB begrüßt diese Erweiterung des Beratungsauftrages der BA ausdrücklich im Interesse einer Reduzierung von Ausbildungsabbrüchen und Abbrüchen von Arbeitsverhältnissen vor allem in der Probezeit.

Die Arbeitsagenturen werden zukünftig verpflichtet, Berufsberatung (einschließlich der neuen Weiterbildungsberatung) unverzüglich anzubieten, nachdem die (verpflichtende) frühzeitige Arbeitssuchmeldung erfolgt ist (§ 38). Dieser Ansatz entspricht den Forderungen des DGB, um möglichst Arbeitslosigkeit zu vermeiden bzw. frühzeitig in die Berufswegplanung mit den Möglichkeiten einer Qualifizierung bereits vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit einzusteigen. Damit das sinnvolle Angebot einer frühzeitigen Beratung auch genutzt und wirksam werden kann, benötigen Beschäftigte, deren Beschäftigungsende absehbar ist, einen gesetzlich normierten Freistellungsanspruch gegenüber ihrem Noch-Arbeitgeber.

Der DGB spricht sich dafür aus, das Recht auf Weiterbildungsberatung mit einem Rechtsanspruch auf Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme zu verknüpfen. Wenn die Beratung ergibt, dass eine Weiterbildung für den Verbleib bzw. die Integration in den Arbeitsmarkt notwendig ist bzw. wenn keine berufliche Qualifikation vorhanden ist, muss die Weiterbildung im Rahmen eines Rechtsanspruchs gewährt werden.

Die neue Dienstleistung sollte in einer eigenständigen Organisationseinheit innerhalb der Arbeitsagenturen erbracht werden, die unabhängig von der Arbeitsvermittlung ist. Damit soll die Weiterbildungsberatung als Grundlage einer stabilen Beschäftigungsperspektive gegenüber einer schnellen Vermittlung in (irgendeine) Arbeit gestärkt werden und die Neutralität der Beratung gesichert werden.

Aus Sicht des DGB sind neben der wichtigen Weiterbildungsberatung weitere Maßnahmen notwendig, um die berufliche Weiterbildung zu stärken. Dazu gehören u.a. eine Entfristung der Erfolgsprämien für bestandene Prüfungen (§ 131a Absatz 3), die ohne Gesetzesänderung Ende 2020 auslaufen werden, die Einführung eines Weiterbildungsgeldes in den Rechtskreisen SGB III und SGB II, mit dem die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen honoriert wird sowie ein verlängerter Restanspruch auf Arbeitslosengeld von sechs Monaten nach Beendigung einer Weiterbildungsmaßnahme. Mit diesen Maßnahmen könnten wirksame Anreize zur Steigerung der Attraktivität von beruflicher Weiterbildung gesetzt werden.

Der DGB weist darauf hin, dass insbesondere im Hartz-IV-System die Möglichkeiten der Förderung der beruflichen Weiterbildung quantitativ und qualitativ ausgebaut werden müssen. Im Hartz-IV-System erhalten nur drei von 100 Arbeitslosen ohne Berufsabschluss die Chance, einen Berufsabschluss nachzuholen. Zum Vergleich: In der Arbeitslosenversicherung werden 20 von 100 Geringqualifizierten in Bildungsmaßnahmen gefördert, die zu einem Berufsabschluss führen. Ein Ausbau der Weiterbildungsförderung setzt voraus, dass für das Hartz-IV-System ausreichende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden und die heute bestehende, chronische Unterfinanzierung der Jobcenter überwunden wird.


Weiterentwicklung WeGebAU-Programm

Mit dem Gesetzentwurf wird das bestehende WeGebAU-Programm weiterentwickelt und die Förderung der beruflichen Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeweitet. Die Änderungen betreffen sowohl die Regelungen zu „förderungsfähigen“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch die Regelungen zu „förderungsfähigen“ Arbeitgebern.

Zukünftig sollen Beschäftigte unabhängig von ihrem Alter, der Größe des Betriebs, dem sie angehören, sowie der Frage, ob sie über einen (verwertbaren) Berufsabschluss verfügen, durch volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden können. Neue zentrale Fördervoraussetzung ist, dass der Erwerb des Berufsabschlusses mindestens vier Jahre zurückliegt. Allerdings bleiben das Alter und die Betriebsgröße als Einflussfaktoren auf die Förderung indirekt weiter bestehen. Denn gefördert wird nur, wenn sich der Arbeitgeber an den Lehrgangskosten beteiligt und diese Beteiligung ist nach Betriebsgröße gestaffelt4 und entfällt, wenn der Arbeitnehmer 45 Jahre und älter (bzw. schwerbehindert) ist.

Zudem wird die Förderung von Arbeitgebern durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt für weiterbildungsbedingte Ausfallzeiten ausgeweitet: Neben der bereits bestehenden und auch künftig bestehen bleibenden Möglichkeit, das Arbeitsentgelt mit 100 Prozent zu bezuschussen, wenn Geringqualifizierte ohne (verwertbaren) Berufsabschluss während der Arbeitszeit einen anerkannten Abschluss nachholen (oder eine berufsanschlussfähige Teilqualifikation absolvieren), werden die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt auf niedrigschwelligere Fallkonstellation ausgeweitet: Zuschüsse zum Arbeitsentgelt sind zukünftig immer möglich, wenn die Fördervoraussetzungen für die Übernahme von Weiterbildungskosten vorliegen.

Die konkrete Ausgestaltung der Fördervoraussetzungen und -konditionen ist weitgehend zielführend und sachgerecht. Die vorgesehene Beteiligung der Arbeitgeber an den Weiterbildungskosten sowie am Arbeitsentgelt bei den weiterbildungsbedingten Ausfallzeiten stellt sicher, dass die Arbeitgeber nicht aus ihrer vorrangigen Verantwortung für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten entlassen werden.

Positiv ist hervorzuheben, dass sowohl Maßnahmenkosten wie auch Freistellungskosten gleichermaßen in den Blick genommen werden. Um Übernutzung oder Missbrauch einzudämmen, sind sowohl bei den Maßnahmekosten wie auch bei den Freistellungskosten Eigenanteile vorgesehen, die durch den Arbeitgeber zu erbringen sind. Dies ist einerseits nach-vollziehbar, andererseits liegt damit aber letztendlich die Entscheidung über die Weiterbildung vollständig beim Arbeitgeber. Der DGB regt an, dass zumindest Regelungen vorgesehen werden, die zur Lösung eines Interessenkonfliktes zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten beitragen. (z.B. wenn ein Beschäftigter an einer Maßnahme teilnehmen möchte, der Arbeitgeber dies aber nicht möchte). Hier könnten auch die Betriebsräte eine Rolle über-nehmen.

Bei den Aufzählungen der Nummern 1 bis 5 im § 82 Absatz 1 geht es zum Teil darum, Mitnahmeeffekten entgegen zu wirken und die Anzahl von Weiterbildungs-Maßnahmen zu begrenzen.

Zu Nr. 2: Der DGB unterstützt Regelungen, die Mitnahmeeffekte vermeiden. Deswegen ist der Zeitraum grundsätzlich sinnvoll. Denkbar ist aber durchaus, dass neue Technologien auch schon vorher greifen und eine Weiterbildung notwendig machen. Viele Unternehmen reagieren schnell mit Umstrukturierungen und Veränderungen ihres Portfolios auf Technologieentwicklungen. Der DGB regt an, eine Öffnungsklausel vorzusehen, die es ermöglicht an Weiterbildungen teilzunehmen, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Ausbildung stehen.

Zu Nr. 3. Die Regelung kann sich als problematisch erweisen. In einer Reihe von Unternehmen in Deutschland werden Förderprogramme des Europäischen Sozialfonds (sowohl Bundes- wie Landesprogramme) umgesetzt. Diese Maßnahmen haben öfter eine Dauer von ein bis zwei Tagen. Der DGB regt an, eine zeitliche Grenze für die Dauer sehr kurzer Maßnahmen vorzusehen, die eine erneute Förderung im genannten Vier-Jahres-Zeitraum nicht ausschließt

Mit der Ausweitung der Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten werden zentrale gewerkschaftliche Forderungen aufgegriffen und umgesetzt. Die verbesserte Förderung wird dazu beitragen, dass die Beschäftigten den neuen Herausforderungen aufgrund von Digitalisierung und Strukturwandel besser gewachsen sind. Weiterbildung von Beschäftigten kann somit einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zur präventiven Vermeidung von Arbeitslosigkeit leisten. Allerdings sieht der DGB die Notwendigkeit, die berufliche Weiterbildung über die im Gesetzentwurf enthaltenen Instrumente hinaus zu stärken:

Weitergehende Vorschläge:
  • Der DGB schlägt vor, eine weitere Förderkonstellation in den Gesetzentwurf aufzunehmen: Kann oder will ein Beschäftigter seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben und ist ein neuer Arbeitgeber bereit, den Beschäftigten einzustellen, wenn bestimmte Qualifizierungen erfolgen, dann sollte zur Vermeidung ansonsten eintretender Arbeitslosigkeit, der neue Arbeitgeber mit bis zu 100 Prozent bei den Weiterbildungskosten und beim Arbeitsentgelt für weiterbildungsbedingte Ausfallzeiten gefördert werden können.

  • Der vorliegende Gesetzentwurf enthält bisher keine Ansätze, um ein gemeinsames Handeln der Betriebsparteien – Arbeitgeber und Betriebsräte – zu stärken. Dabei verfügen die Betriebsparteien gemeinsam in der Regel über sehr gute Kenntnisse, bei welchen Tätigkeiten und bei welchen Beschäftigtengruppen im Betrieb ein Qualifizierungsbedarf besteht und welche Weichenstellungen getroffen werden müssen. Diese Kenntnisse gilt es zu nutzen und ein gemeinsames Handeln zu stärken. Sinnvoll wäre daher eine Regelung, nach der Betriebe, in denen sich die Betriebsparteien auf eine Analyse der Qualifizierungsbedarfe und einen entsprechenden Entwicklungsplan verständigt haben, bessere Bedingungen bei der WeGebAU-Förderung erhalten.

  • Die zukünftig erweiterten Fördermöglichkeiten sollen laut Gesetzentwurf nur als Kann-Leistungen ausgestaltet werden, d.h. die Förderung liegt im Ermessen der Arbeitsagenturen und Beschäftigte haben bei Vorliegen der Voraussetzungen keinen Rechtsanspruch auf eine Förderung. Der DGB spricht sich dafür aus, einen Rechtsanspruch auf eine Weiterbildungsmaßnahme vorzusehen, wenn die Weiterbildung erforderlich ist, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und Arbeitslosigkeit präventiv zu vermeiden sowie für Beschäftigte ohne (verwertbaren) Berufsabschluss.

  • Die Förderung über das SGB III sollte nur ein Weg sein, Weiterbildung zu fördern. Zur Bewältigung der Folgen von Digitalisierung sind weitere Weiterbildungsanstrengungen notwendig. Wünschenswert wäre, dass solche Regelungen analog zum AFBG oder dem BAföG geregelt werden.

  • Beschäftigte, die aufstockende Hartz-IV-Leistungen beziehen, sind von der bisherigen WeGebAU-Förderung über die Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen (Förderausschluss nach § 22 Abs. 4 SGB III). Zwar kann das Instrumentarium über § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB III analog im Hartz-IV-System nachgebildet werden, faktisch findet dies jedoch (fast) nicht statt, wie die bundesweit nur 270 Förderfälle belegen. Der DGB schlägt vor, die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Hartz-IV-Aufstocker hinsichtlich der aktiven Arbeitsförderung dem Versicherungssystem zu-zuordnen, vom Leistungsausschluss nach § 22 SGB III auszunehmen und in die zu-künftig ausgeweitete Weiterbildungsförderung von Beschäftigten einzubeziehen.


Quelle: Stellungnahme des DGB Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für ein Qualifizierungschancengesetz (Bearbeitungsstand: 30.08.2018)

Sie können die vollständige Stellungnahme hier als pdf-Datei herunterladen.


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Ältere Beschäftigte, Berufliche Weiterbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik, Qualifizierung
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 19.11.2018

Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info
Druckdatum: 28.03.2024