Zurück zur ÜbersichtLebenslanges Lernen fördernDer Bundestag wolle beschließen:I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Die Wissensgesellschaft stellt neue Anforderungen an jeden Einzelnen, an die Bildungsinstitutionen, an die Wirtschaft und an den Staat. Die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und einzuordnen sowie die Fähigkeit, Wissen aus diesen Informationen zu generieren und zu erneuern, gewinnen immens an Bedeutung. Bildung ist in der Wissensgesellschaft Voraussetzung für die Selbständigkeit des Individuums, für gesellschaftliche Innovation, für Kreativität und ganz besonders für soziale Integration und demokratische Teilhabe. In der Wissensgesellschaft verändern sich Lern- und Qualifizierungsprozesse: Priorität hat nicht mehr eine spezialisierte passgenaue Erstausbildung, sondern eine kontinuierliche Weiterqualifizierung in allen Lebensphasen. Neben einer sehr guten vorschulischen und schulischen Grundausbildung sowie einer hohen Bildungsbeteiligung und Qualität im Hochschulbereich müssen wir also besonderes Augenmerk auf die berufliche Weiterbildung legen. Dies liegt gleichermaßen im Interesse der Beschäftigten, der Unternehmen und des Staates. Auf den Einzelnen bezogen stärkt Weiterbildung die individuelle Kompetenz und damit die Beschäftigungsfähigkeit und soziale Integration. Sie dient dazu, neue Qualifikationspotenziale zu erschließen und bereits vorhandene Qualifikationen zu stabilisieren. Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte nehmen in einer wissensbasierten Ökonomie weiter ab. Nur noch die Hälfte dieser Gruppe ist heute überhaupt erwerbstätig. Damit die Beschäftigungsquote steigt und somit auch die hohen staatlichen Sozialtransfers sinken, müssen wir vorsorgen und möglichst viele Menschen gut qualifizieren. Der Handlungsbedarf wird noch deutlicher, wenn man die Mängel unseres Bildungssystems berücksichtigt, das jedes Jahr über 80 000 Schulabbrecherinnen und -abbrecher „produziert“ und fast ein Viertel der Jugendlichen mit Kompetenzen auf Grundschulniveau entlässt. In den letzten Jahren ist dadurch eine große Gruppe von Bildungsverlierern herangewachsen, die eine zweite Chance braucht. Weiterbildung liegt aber auch im ureigensten Interesse von Unternehmen. Denn genauso wie neue Technologien neue Produktions- und Absatzchancen bieten, eröffnet der Wissens- und Kreativitätszuwachs der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Weiterbildung den Betrieben Möglichkeiten für Innovationen und Wachstum. Auf diese Potenziale können kluge Unternehmerinnen und Unternehmer nicht verzichten. Insbesondere nicht vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des daraus resultierenden dramatischen Fachkräftemangels, der heute schon – trotz hoher Arbeitslosigkeit – in etlichen Branchen zu spüren ist. Allein im Ingenieurbereich fehlen 22 000 Fachkräfte. Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger für Informatik ist auf einem historischen Tiefstand – trotz eines hohen Fachkräftebedarfs der Branche. Bisher wurde betriebliche Innovation hauptsächlich über die Einstellung von Absolventinnen und Absolventen der Erstausbildung realisiert. Dies ist bei erheblichem Fachkräftemangel und der zurzeit zu geringen Bildungsbeteiligung im tertiären Sektor kaum mehr möglich. Vielmehr müssen sich alle Beschäftigten kontinuierlich weiterqualifizieren, auch im Bereich der sog. „soft skills“ wie Team- und Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösung oder Moderation. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebensarbeitszeit muss auch die Weiterbildungsbeteiligung älterer Beschäftigter erhöht werden. Die jahrzehntelange Tradition der Frühverrentung hat dazu geführt, dass die Potenziale älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr gesehen und nicht ausreichend wertgeschätzt wurden. Diese Verschwendung können wir uns in einer Wissensgesellschaft nicht leisten. Viele junge Menschen müssen heute nach einer langen Erstausbildung innerhalb weniger Jahre Ausbildungsabschluss, Berufseinstieg und Familiengründung unter einen Hut bringen. Ein gutes System der beruflichen Weiterbildung kann dazu beitragen, diese „Rush-Hour des Lebens“ etwas zu entzerren. Denn wenn Weiterqualifizierung in unterschiedlichen Abschnitten des Berufslebens zur Normalität wird, mindert dies den Druck, vor der Familiengründung „ausgelernt“ haben zu müssen. Die beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen erfordern auf vielen Ebenen und Feldern Anpassungsstrategien. Neben beruflicher Weiterbildung spielt auch die allgemeine und politische Weiterbildung eine wichtige Rolle für die individuelle Weiterentwicklung jedes und jeder Einzelnen. Denn sie fördert geistige Beweglichkeit und Kreativität. Sie schafft zudem bessere Voraussetzungen für Orientierung in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft und für Teilhabe am demokratischen Gemeinwesen. Im internationalen Vergleich hat Deutschland einiges aufzuholen. Nach Eurostat-Kriterien liegt die Teilnahmequote an unterschiedlichen Lernformen im Erwachsenenalter in Deutschland bei 42%, skandinavische Länder kommen hingegen auf 70-80%. Eine ähnliche Tendenz zeigt die aktuelle OECD-Bildungsstudie, die Weiterbildung etwas enger definiert: Mit einer Teilnahmequote von 12% liegt Deutschland hier deutlich unter dem OECD-Schnitt von 18% und weit abgeschlagen hinter Ländern wie Dänemark, Finnland, Schweden oder den USA, die 35-40% erreichen. Die OECD-Studie zeigt auch, dass Geringqualifizierte in Deutschland noch seltener als in anderen Ländern an Maßnahmen des Lebenslangen Lernens teilnehmen. Und auch Frauen mit Kindern und Beschäftigte in Kleinen und Mittleren Unternehmen sind in der beruflichen Weiterbildung deutlich unterrepräsentiert. Wir brauchen eine weiterbildungsaktive Gesellschaft, in der alle mehr als bisher an Weiterbildung partizipieren. Die Förderung Lebenslangen Lernens muss sich dabei an einem Dreiklang von guter Beratung, Zeit für Weiterbildung und klugen Finanzierungsinstrumenten orientieren. Vom heutigen Niveau aus gesehen müssen alle Akteure – Unternehmen, Individuen und der Staat – mehr als bisher in Weiterbildung investieren. Die Unternehmen sind voll und ganz für betriebliche Weiterbildung zuständig. Die Individuen müssen Zeit einbringen und bei zunehmendem privaten Interesse auch entsprechend höhere Eigenbeiträge leisten. Der Staat wiederum muss förderliche Rahmenbedingungen für Lebenslanges Lernen setzen, die auch einen Mentalitätswandel befördern, und diejenigen besonders unterstützen, die einen Schulabschluss oder eine berufliche Erstausbildung nachholen. Eine besondere Verantwortung haben die Bundesländer. Sie sind dafür zuständig, dass Schulabgängerinnen und -abgänger einen qualifizierten Abschluss erhalten. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Strukturen für Lebenslanges Lernen zu stärken und dabei insbesondere
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung zudem auf, die finanzielle Unterstützung für Lebenslanges Lernen zu reformieren und dabei insbesondere
Berlin, den 21. März 2007 Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Quelle Antrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Bundestag, Drucksache 16/4748 vom 21. 03. 2007 Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009 |
Quelle: www.netzwerk-weiterbildung.info Druckdatum: 19.04.2024 |